Genug Zeit haben

Mit unserer Zeit gehen wir bewusst um. Time-Management, To-Do-Listen, Pufferzonen – diese Begriffe sind uns vertraut, wir handeln, wie wir es in Seminaren gelernt haben, manchmal konsequenter, manchmal nachlässig. Uns ist klar, nur mit entsprechender Erholung sind wir in der Lage, den Anforderungen unseres Berufs gerecht zu werden.

Doch werden wir das Gefühl nicht los, immer zu wenig Zeit für uns selbst zu haben. Sport, Treffen mit FreundInnen, Wochenendtrips – all diese Aktivitäten passen hervorragend in unsere Agenda, alles bestens geplant und durchdacht. Selbst das geliebte Zeitung Lesen am Sonntag Morgen ist so geplant, dass dafür die Skitour am Vormittag eben etwas später beginnt.

Kennen Sie dieses Gefühl der beginnenden Langeweile?

Eines der schönsten Momente, wenn wirklich viel Zeit ist. Vielleicht im Urlaub – man hat schon ausreichend gelesen, war faul und man konnte das Stunden Zerrinnen genießen. Jetzt beginnt sich „Lange-Weile“ zu regen. Damit startet ein Prozess an Ideen, es entstehen wunderbare Gedankengebäude, mit denen ein ausgeruhter Mensch sein gesamtes Kreativitätspotential entfalten kann.

Doch in dieser unserer durchgeplanten Zeit
bleibt selten Platz für die Lange-Weile

Um all unsere Bedürfnisse nach körperlicher Fitness, nach Kunst und Kultur, nach lieben FreundInnen und der Familie neben dem Beruf befriedigen zu können, ist der Terminkalender über Wochen ausgefüllt. Die Lange-Weile muss eine Weile warten. Doch wie lang? Bis wir erschöpft zusammenbrechen, im besten Fall nur mal für eine Woche eine ordentliche Erkältung auskurieren müssen? Bis unsere aufgebrauchten Energiereserven in Form von Tinnitus und Magengeschwüren nach Ruhe schreien?

Was wir brauchen wird uns eingeflüstert

Ohne es zu merken, werden wir zugedröhnt mit Empfehlungen, was wir brauchen, was uns gut tut und wie wir einen stressigen Alltag bewältigen können. Wir machen mit bei all den spannenden Aktivitäten, die uns täglich angepriesen werden. Hier eine Ausstellung, dort ein Event – Theater, Oper, Fußballspiel – wir sind dabei. Wir „fördern“ unsere Kinder mit einem ausgewogenem Mix an Kunst und Sport, unsere Urlaube sind durchdacht, damit nur ja jedes Bedürfnis befriedigt wird. Wie in einem Katalog kann ich mir aus dem großen Angebot an Veranstaltungen und Aktivitäten heraussuchen, was mir für heute gefällt. Und dann wieder: Das Gefühl, keine Zeit mehr zu haben. Für uns selbst. Zum Nachdenken. Um den Kopf frei zu bekommen.

Was für ein Geschenk!

Der deutsche Zeitforscher Dr. Karlheinz Geißler lebt nach der Prämisse, nur einen Termin pro Tag auszumachen.  Der 72-jährige kann es sich leisten: Sein Unternehmen brummt, andere können für ihn tun. Aber dennoch sind seine Überlegungen nachahmenswert: Die Uhr, Taktgeberin unseres Lebens, schränkt uns ein. Also vielleicht manchmal Zeit ohne Uhr verbringen. Nicht planen sondern werden lassen. Nicht alles, was wir tun, muss sein. Geißler empfiehlt Let-it-be-Listen zu erstellen, so erkennt man, was sein muss (frische Luft) und was nicht unbedingt (Fitnessstudio). Ein Wochenende ohne ein einziges Vorhaben – was für ein Geschenk! Stellen Sie sich vor – was Sie alles machen würden – ein herrliches Vergnügen.

Für unsere (Lebens-)Zeit sind wir selbst verantwortlich. Um zu erfahren, was wir wirklich brauchen, ist Ruhe nötig. Die finden wir nicht im Theater und nicht beim Ski-Event. Gönnen wir uns das schönste Geschenk, das wir uns selbst machen können: Lange Weile.

 

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